Nie zuvor beobachtetes VerhaltenOrang-Utan behandelt seine Wunde aktiv mit Heilpflanze

Lesezeit 3 Minuten
Der männliche Sumatra-Orang-Utan namens Rakus im Urwald von Suaq Balimbing hat sich selbst geheilt. Zwei Monate nach der Selbstbehandlung war die Wunde kaum noch sichtbar.

Der männliche Sumatra-Orang-Utan namens Rakus im Urwald von Suaq Balimbing hat sich selbst geheilt. Zwei Monate nach der Selbstbehandlung war die Wunde kaum noch sichtbar.

Bisher war nicht bekannt, dass Tiere Wunden mit Heilpflanzen behandeln. Eine neue Studie belegt nun, dass sie es tun.  

Zum ersten Mal haben Wissenschaftler beobachtet, wie ein Orang-Utan eine Wunde in seinem Gesicht absichtlich mit einer Heilpflanze behandelt hat, die eigentlich nicht auf dem Speiseplan der Menschenaffen steht. Zuvor wurde ein solches Verhalten nie dokumentiert. Rakus, ein männlicher Sumatra-Organ-Utan, hat demnach seine Wunde bewusst mit dem Saft einer Kletterpflanze namens Akar Kuning behandelt. Dafür habe der Orang-Utan zuvor die Blätter der Pflanze zerkaut und den Saft mehrmals auf die Wunde in seinem Gesicht aufgetragen, erklärten die Forscher in der am Donnerstag (2. Mai) bei „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie.

Anschließend bedeckte der Orang-Utan demnach die Wunde mit dem zerkauten Blätterbrei der Heilpflanze, die der Studie zufolge in der traditionellen Medizin zur Behandlung von Krankheiten wie Ruhr, Diabetes und Malaria verwendet wird.

Erster Bericht über aktive Wundbehandlung bei Menschenaffen

„Dieses möglicherweise innovative Verhalten stellt den ersten Bericht über die aktive Wundbehandlung mit einer biologisch aktiven Pflanze bei einer Menschenaffenart dar“, sagte die Hauptautorin der Studie, Isabelle Laumer vom Max-Planck-Insitut für Verhaltensbiologie, dem US-Sender CNN. Das Team sei „sehr begeistert“ von den Beobachtungen, die bereits im Juni 2022 im Forschungsgebiet Suaq Balimbing auf der indonesischen Insel Sumatra gelungen seien.

Da Rakus sich mehrere Minuten lang wiederholt mit dem Saft der Pflanze behandelt habe, geht das Forscherteam von einer bewussten Entscheidung des Orang-Utans aus, die Pflanze zu verwenden, die entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkungen hat.

Orang-Utan behandelt Wunde: Zufall oder erlerntes Verhalten?

Wahrscheinlich habe Rakus sich die Wunde zuvor bei einem Kampf mit einem anderen Orang-Uran zugezogen, vermuten die Wissenschaftler. Grundsätzlich seien Vorfälle dieser Art in dem Forschungsgebiet selten, was es dementsprechend schwierig mache, derartiges Verhalten bei den Menschenaffen zu beobachten.

Rakus mit einer frischen Wunde (l.) und zwei Monate später mit einer nahezu unsichtbaren Narbe.

Rakus mit einer frischen Wunde (l.) und zwei Monate später mit einer nahezu unsichtbaren Narbe.

Wie Rakus gelernt hat, wie man eine Wunde behandelt, ist derweil unklar. Es könnte sich um eine „zufällige individuelle Innovation“ handeln, erklärte Wissenschaftlerin Laumer. Der Orang-Utan könnte versehentlich seine Wunde berührt und dadurch eine sofortige Wirkung gespürt haben. Ebenso sei denkbar, dass Rakus das Verhalten im Laufe seines Lebens von anderen Orang-Utans gelernt hat, erklärten die Wissenschaftler.

Orang-Utans vom Aussterben bedroht: Nur Schimpansen sind uns ähnlicher

In Zukunft wollen sie andere verletzte Orang-Utans in der Gegend nun genau beobachten, um herauszufinden, ob das von Rakus gezeigte Verhalten sich wiederholt oder sogar unter den Orang-Utans verbreitet ist. Die Studienergebnisse zeigten aber bereits jetzt die vielen Gemeinsamkeiten von Menschen und Orang-Utans auf, erklärte Laumer.  „Es gibt mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede“, so die Forscherin. „Wir hoffen, dass die Studie das Bewusstsein dafür schärft, dass sie vom Aussterben bedroht sind“, fügte sie an.

Die Menschenaffen verlieren immer mehr ihres natürlichen Lebensraums auf Sumatra. Im Jahr 2016 wurde der Bestand von Sumatra-Orang-Utans auf knapp 16.000 geschätzt. Die Population der Borneo-Orang-Utans soll rund 104.000 Tiere umfassen. Das Genmaterial des Orang-Utans ist zu 97 Prozent mit dem des Menschen identisch. Nur der Schimpanse ist dem Menschen mit einer Übereinstimmung von 99 Prozent noch ähnlicher. (das)

KStA abonnieren