„Viel Überzeugungsarbeit“Eine Kita wird zuckerfrei – und stößt zunächst auf großen Widerstand

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Ein Mädchen in einer Kita füllt mit einer Kelle Gemüsesuppe auf ihren Teller. Zwei weitere Kinder sitzen im Hintergrund am Tisch.

Eine Kita in Greifswald ist nun seit vier Jahren zuckerfrei. (Symbolbild)

Eine Kita, die auf Zucker und Weißmehl verzichtet? Das sagen Eltern, Erzieher und Kitaleitung nach vier Jahren zum Vitalkost-Konzept. 

Mit großem Appetit sitzen die Kindergartenkinder der Gruppe „Bücherwurm“ am Mittagstisch. Auf ihren Tellern liegen Linsenbouletten, Tomatenreis und Fenchel-Möhrengemüse. Auch ein Gurkensalat mit Hafersahne steht auf dem Speiseplan. Diese Gerichte unterscheiden sich deutlich von vielen Mahlzeiten, die es sonst oft in Kantinen gibt.

Auf Haushaltszucker, Weißmehlprodukte und stark verarbeitete Lebensmittel wird in der Uni-Kita in der Nähe des Klinikums am Beitzplatz verzichtet. Das gilt auch für alle weiteren Kindertagesstätten, die vom Träger „Volkssolidarität Nordost“ betrieben werden. Vor ungefähr vier Jahren wurde das Vitalkostkonzept bereits eingeführt.

Erzieherin Wiebke Ritz schildert, wie das gesunde Essen in ihrer Gruppe ankommt: „Am Anfang war es schwierig, weil viele Kinder das Essen nicht von zu Hause kannten. Da mussten wir schon Überzeugungsarbeit leisten.“ Dasselbe galt für die Eltern. „Sehr viele hatten die Befürchtung, dass ihre Kinder zu wenig essen, weil sie vor allem Gemüse nicht mögen. Das ist aber definitiv nicht so.“

Zuckerfreie Kita in Greifswald: Rote-Bete-Salat ist der Renner

Was den Kindern schmeckt, musste durch Probieren herausgefunden werden. „Kinder möchten klar erkennen, was sie auf ihren Tellern haben. Mehrere Gemüsesorten in einer Soße vermischt kommen deshalb nicht so gut an“, erzählt die Erzieherin. Auch der Schwarze-Bohnen-Pudding musste trotz mehrerer Versuche vom Speiseplan genommen werden. Rohkostsalate sowie Paprika und Möhren in Streifen geschnitten sind hingegen beliebt. „Der absolute Renner ist unser Rote-Bete-Salat. Der hat so eine kräftige Farbe, das kommt gut an.“

Mutter Nicole Vinke ist seit vielen Jahren im Elternrat. Auch sie kann sich noch gut an die lebhaften Diskussionen erinnern. „Mehrere haben das neue Ernährungskonzept zunächst als Spinnerei abgetan. Viele haben auch argumentiert, dass sie mit ihren bisherigen Essensgewohnheiten gut durchs Leben gekommen seien.“ Eine weitere Befürchtung war, dass die Kosten für die Mahlzeiten stark steigen würden.

Kerstin Winter: „Wir wollen die Eltern nicht missionieren“

All diese Argumente konnte Kerstin Winter in den vergangenen Jahren erfolgreich entkräften. Sie ist die Vorstandsvorsitzende der „Volkssolidarität Nordost“. Für Erzieher, Köche und die Eltern organisierte sie zahlreiche Workshops, um sie von dem gesunden Essen zu überzeugen. „Wenn man schon als Kind zu viel Zucker zu sich nimmt, fällt es später schwer, diese Gewohnheit zu ändern. Deswegen muss man früh mit gesunder Ernährung anfangen.“

Zahlreiche Studien geben ihr dabei recht. Die Deutschen essen zu viel Zucker. Krankheiten, die damit in Zusammenhang stehen, treten häufiger auf. Ein Beispiel ist Diabetes. „Wir sagen aber auch ganz klar, dass wir die Eltern nicht missionieren wollen. Wir sind auch keine vegetarische oder vegane Einrichtung, Fisch und Fleisch kommen mitunter auch auf den Tisch“, erklärt Kerstin Winter. Bei tierischen Produkten werde aber auf Wurst und Schweinefleisch verzichtet, magere Sorten wie Hähnchen gebe es aber durchaus.

Zuckerfreie Kita in Greifswald: Mittagessen kostet 3,90 Euro

Doch was essen die Kinder, wenn sie die Krippe oder den Kindergarten verlassen? „Natürlich gibt es auch mal ein Eis oder eine Salamistulle am Abend“, erzählt Mutter Nicole Vinke. „Ich bin deshalb froh, dass es in der Kita gesundes Essen gibt. Dann ist es nicht so schlimm, wenn wir es zu Hause oder unterwegs mal nicht so genau nehmen.“

Das Essen ist bei uns nicht teurer als in anderen Kitas
Kerstin Winter, Vorstandsvorsitzende des Kita-Trägers „Volkssolidarität Nordost“

Gekocht wird das Mittagessen im Greifswalder „Boddenhus“, das Frühstück und die kleine Mahlzeit am Nachmittag werden in der Kita selbst zubereitet – oft mit den Kindern zusammen. Buchweizenbrot mit Butter, kleine Bälle mit Datteln statt mit Zucker, Soßen aus Himbeer-Apfelmark, Dips fürs Gemüse: Bei all dem dürfen die Kleinen mit anpacken. Auch Muffins mit Kürbis hat es schon gegeben.

Das Mittagessen kostet derzeit 3,90 Euro, das gesamte Essen für den Tag 6,90 Euro. „Das Essen ist bei uns nicht teurer als in anderen Kitas. Zudem zahlen Eltern bei uns keine Pauschale, sondern nur dann, wenn die Kinder auch wirklich essen“, erzählt Kerstin Winter.

Kita-Träger betreibt eigene Küchen in Greifswald und Anklam

Wie klappt das? Haushaltszucker und Weißmehlprodukte gehören zu den preiswerten Lebensmitteln. Kuchen mit Kokosblüten oder einer Dattelpaste zu süßen, ist nicht nur deutlich teurer, sondern auch zeitaufwendig.

„Wir haben mit dem ,Boddenhus‘ in Greifswald und einer weiteren Einrichtung in Anklam eigene Küchen, sind also nicht auf externe Anbieter angewiesen. Das macht schon viel aus“, sagt Kerstin Winter. „Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, bei welchem regionalen Anbieter wir möglichst preiswert einkaufen können. Auch die Mengenberechnung wurde immer wieder angepasst und optimiert. Nur so funktioniert das mit dem Preis.“

Sie räumt ein, dass es schwierig sein wird, den derzeitigen Preis zu halten. „Wir sind aber davon überzeugt, dass wir unseren Kindern mit dem Essen etwas Gutes tun. Mittlerweile bekommen wir sehr viel Zuspruch. Der Weg dorthin war zwar steinig, er hat sich aber gelohnt.“ (RND)

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