„Viele wissen gar nicht, was erlaubt ist“Was sich seit der Teil-Legalisierung von Cannabis in Köln verändert hat

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Valentin Schnieder, Niklas Hoffmann und Arek Losiewicz (v.l.) von The Herbalist

Valentin Schneider, Niklas Hoffmann und Arek Losiewicz (v.l.) von The Herbalist wollen einen Cannabis-Social-Club gründen.

Seit einem Monat ist Cannabis zum Teil legal. Gebracht hat es in Köln bisher vor allem eins: Verwirrung.

Niklas Hoffmann, Arek Losiewicz und Valentin Schneider sind vorbereitet. Gemeinsam haben die drei Betreiber des Ehrenfelder CBD-Shops „The Herbalist“ eine Halle angemietet, in denen sie Cannabis anbauen wollen Über 500 Namen stehen bereits auf der Interessentenliste für den geplanten Cannabis-Social-Club. Aber loslegen dürfen die drei im schlechtesten Fall erst im Oktober – wenn überhaupt.

Seit dem 1. April ist das umstrittene Cannabis-Gesetz in Kraft. Seitdem ist der Besitz von bestimmten Mengen der Droge, der Privatanbau von bis zu drei Pflanzen und der Konsum legal. Und während noch immer der politische Deutungskampf zwischen Befürwortern und Kritikern des neuen Gesetzes tobt, zeigt ein Blick in die kommunale Praxis, dass das Gesetz vor allem eins gebracht hat: Verwirrung.

Trotz großer Aufregung wegen Cannabis-Gesetz: Herbalist-Chef sieht wenig Veränderungen in Köln

„Am 1. April kam eine Frau zu uns in den Laden, hat sich hingesetzt und gesagt: ‚So, ich nehme einmal das stärkste Zeug, das ihr dahabt‘“, erzählt Schneider. Immer wieder hätten sich seitdem ähnliche Szenen in ihrem Laden abgespielt. Sein Kollege Hoffmann ergänzt: „Viele wissen immer noch gar nicht, was jetzt eigentlich erlaubt ist und was nicht.“

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Seit 2018 betreiben die drei ihren Shop „The Herbalist“ in Ehrenfeld. Dort verkaufen sie Cannabidiol (CBD)-Cannabis. Anders als das Tetrahydrocannabinol (THC) der Hanf-Pflanze hat CBD keine berauschende Wirkung und macht nicht süchtig. Es soll aber eine beruhigende Wirkung haben. „The Herbalist“ war auch eines der ersten Läden in Köln, das über soziale Medien ankündigte, einen sogenannten Cannabis-Social-Club gründen zu wollen. Also einen nichts-kommerziellen Anbauverein, in dem Mitglieder dann auch Cannabis mit THC beziehen können. Doch ihren Verein anmelden dürfen sie erst ab dem 1. Juli. „Erst dann dürfen wir eine Lizenz bei der Stadt beantragen. Aber was wir gehört haben, könnte es bis zu drei Monate dauern, bis wir dafür eine Zu- oder Absage bekommen“, sagt Losiewicz.

Bisher, so ergänzt Hoffmann, habe sich trotz der großen Aufregung durch die Teil-Legalisierung kaum etwas geändert: „Wenn ich hier durch Ehrenfeld spaziere, rieche ich hier und da mal Cannabis. Aber das war auch schon vor dem 1. April so“, sagt er. Immerhin, sagt Schneider: „Für die Konsumenten war der 1. April ein guter Tag, da sie nicht mehr kriminalisiert werden, wenn sie am Abend mal einen Joint rauchen wollen. Aber den Schwarzmarkt wird man mit dieser Teil-Legalisierung kaum bekämpfen“, glaubt Hoffmann.

In der Trimbornstraße in Köln-Kalk werben Dealer an einer Hauswand mit ihren Cannabis-Preisen.

In der Trimbornstraße in Köln-Kalk werben Dealer an einer Hauswand mit ihren Cannabis-Preisen.

Dass die Teil-Legalisierung für Missverständnisse und Verwirrungen sorgt, hat auch die Kölner Polizei festgestellt. Manchmal frage er sich, ob sich die Leute bewusst dumm stellen oder ob die Regeln einfach noch nicht überall durchgedrungen seien, sagte der Leitende Polizeidirektor Martin Lotz Ende vergangener Woche auf einer Pressekonferenz. „Die Kollegen müssen derzeit noch viel erklären draußen auf der Straße.“ Dass etwa der Handel, die Einfuhr aus den Niederlanden oder der Konsum in Sichtweite zu Schulen oder in Gegenwart von Minderjährigen verboten ist, wüssten viele nicht – oder geben es zumindest vor. Sinnbildlich dafür steht ein Foto aus Kalk, das eher an Coffeeshops in Amsterdam erinnert. An einem Haus an der Trimbornstraße hatten Dealer öffentlich ihre Grammpreise für Haschisch mit Edding auf eine Wand geschrieben.

Auf Kölner Richterinnen und Richter kommt mehr Arbeit zu

Auch die Stadt sieht noch viel Klärungsbedarf. Vor allem hinsichtlich der Frage, wer und wie kontrolliert werden soll, dass sich die Kölnerinnen und Kölner auch an die Cannabis-Verbotszonen halten. Aus Gründen des Jugendschutzes darf im Umkreis von 100 Metern zum Eingangsbereich von Schulen, Kindergärten, Jugendzentren und Spielplätzen nicht gekifft werden, ebenso auf dem Gelände öffentlich zugänglicher Sportplätze. In Köln ergibt das ein Wirrwar aus Zonen, in denen gekifft werden darf und in denen der Konsum verboten ist. Teilweise verläuft die Grenze durch Hinterhöfe und Gartenanlagen.

Doch noch immer gibt es keine Zuständigkeiten dafür, wie das alles kontrolliert werden soll. „Das Land hat bislang nicht entschieden oder geregelt, wie das Gesetz umgesetzt werden soll. Wer welche Aufgaben übernehmen muss, ist noch völlig unklar“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Immerhin: In mehreren Arbeitskreisen bereite sich die Stadt schon seit Anfang des Jahres auf die verschiedenen Aspekte der Teil-Legalisierung vor. Doch laut Stadt brauche es eben eine Weisung des Landes, wie genau es weitergehen soll.

Für Kölner Richterinnen und Richter bedeutet das Gesetz indes wohl deutlich mehr Arbeit. Noch sei es zu früh, um konkrete Angaben zu den Auswirkungen des neuen Gesetzes zu machen. Und doch sagt Hans Logemann, Vorsitzender Richter am Kölner Landgericht: „Initial führt die Gesetzesänderung zu einem Mehraufwand, weil infolge der Amnestieregelung bereits abgeschlossene Verfahren auf eine etwaig notwendige Abänderung überprüft werden müssen.“ Erste Anträge seien bereits eingegangen, konkrete Zahlen liegen dazu allerdings noch nicht vor.

Unklar ist auch, wer in Zukunft für die Revision dieser alten Verfahren zuständig ist oder wie rechtssicher Ermittlungsmaßnahmen wie die Entschlüsselung von Handys bei der Verfolgung von Großdealern sind. Das werde „die künftige Rechtspraxis“ zeigen, so Logemann.

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