Sprecher im InterviewVerleiher widersprechen Stadt Köln: „Nur 100 E-Scooter im Rhein“

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Gerade mal elf E-Scooter sind bisher aus dem Rhein gefischt worden.

Köln – Die Bergungsaktion der E-Scooter aus dem Rhein kommt nicht voran, die Stadtverwaltung ist verärgert, fühlt sich schlecht informiert. Wann das Spezialkranschiff im Rhein zum Einsatz kommen wird, ist unklar. Sebastian Schlebusch, Sprecher der AG Mikromobilität der Plattform Shared Mobility, zu der sich die Verleiher zusammengeschlossen haben, sagt, dass höchstens 100 E-Scooter im Rhein liegen.

Die Stadt Köln ist äußerst unzufrieden mit dem bisherigen Verlauf, da bisher lediglich elf Scooter gefischt wurden. Wie geht es jetzt weiter?

Schlebusch: Wir haben nun die ersten 60 Stellen im Rheinauhafen abgesucht und insgesamt elf E-Scooter geborgen. Weitere Stellen in der Fahrrinne des Rheins werden erst mit der Verfügbarkeit der Spezialkranschiffe mit Strömungsschild abgesucht werden können.

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Sebastian Schlebusch

Wenn man sich nicht nur auf Zufallsfunde verlassen will, ist eine höhere Geschwindigkeit bei der Bergung nicht möglich. Die gewissenhafte und vollständige Suche des gesamten innerstädtischen Rheingebietes ist ein aufwendiger Prozess mit einer Vielzahl von Beteiligten. Wir werden jede einzelne potenzielle Fundstelle, die vom Sonarboot identifiziert wurde, abtauchen, so wie bereits im Rheinauhafen geschehen.

Die Sonar-Untersuchungen haben gezeigt, dass im Hafen mindestens 60 und im Bereich der Hohenzollernbrücke mindestens 45 liegen sollen. Warum werden die nicht gefunden und geborgen?

Eine Fundstelle bedeutet nur, dass es aufgrund der Materialeigenschaften, also der Größe und Beschaffenheit, eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass dort ein E-Scooter liegt. Wir haben nach unseren ersten Tauchgängen bereits dutzende anderer unterschiedliche Objekte wie Bürostühle, Fahrräder und Außenbordmotore lokalisiert. Insofern lässt die Anzahl der identifizierten Stellen nicht unbedingt auf eine konkrete Anzahl an E-Scootern schließen.

Die Stadt erwartet, dass nicht nur bestimmte Bereiche, sondern das komplette Areal sondiert wird. Es mache keinen Sinn, nur unter den Brücken zu suchen, die Strömung könne die Roller mitgerissen haben. Warum geschieht das nicht?

Alle Anbieter haben die Stellen, an denen vermehrt Scooter verloren gegangen sind, also der Kontakt zur Ortung abreißt, - abgeglichen. Dadurch haben sich Hotspots wie zum Beispiel der Rheinauhafen ergeben. Die ersten Ergebnisse der Sonarortung bestätigen diese Vermutung. Für alle weiteren Tauchgänge im offenen Rhein brauchen wir das Spezialkranschiff, damit die Taucher abgesichert werden können. Sobald das zur Verfügung steht, werden auch diese Uferbereiche abtauchen. Wir werden die Termine und Ergebnisse bekanntgeben.

Es ist immer die Rede von bis zu 500 Scootern, die im Rhein und im Becken des Rheinauhafens sollen. Wie kommt diese Zahl zustande?

Die Mikromobilitätsanbieter haben diese Zahl nie kommuniziert oder bestätigt. Es handelt sich dabei um grobe Schätzungen der Medien ohne Angabe der Quellen. Wir erwarten bei den nächsten Tauchgängen insbesondere in den Brückenbereichen einige Cluster. Fakt ist, dass die anfänglich kolportierte Zahl zu hoch angesetzt war. Wir gehen nach heutigem Erkenntnisstand zirka 100 E-Scootern aus.

Warum wird die Stadt nicht direkt über den Stand der Bergung informiert?

Die Mitglieder der Plattform Shared Mobility stehen in wöchentlichem Austausch mit der Stadt Köln und teilen im Rahmen dieser Treffen auch den Stand der Bergung mit. Zudem wurden Mitglieder des Verkehrsausschusses, die Bezirksregierung und das Wasser- und Schifffahrtsamt informiert.

Haben die Verleiher inzwischen sichergestellt, dass keine weiteren Scooter mehr in den Rhein oder in die Hafenbecken geworfen werden? Geht das überhaupt? Und falls ja, wie?

Bei den in den Rhein geworfenen E-Scootern handelt es sich um Vandalismus. Dafür sind nach Erfahrung der Anbieter nicht die Nutzer und Nutzerinnen verantwortlich, sondern Dritte, die bereits abgestellte E-Scooter in Gewässer schmeißen. Die Verleiher haben gemeinsam mit der Stadt Köln einen Maßnahmenkatalog vereinbart, der unter anderem die Reduzierung der E-Scooter-Flotte in der Innenstadt um 35 Prozent und die Einrichtung von Abstellverbotszonen in Rheinnähe und ausgewiesenen E-Scooter Parkplätzen umfasst.

Wie weit sind die Verleiher mit der Erarbeitung ihrer „Parkstrategie“ aus Abstellverbotszonen und ausgewiesenen E-Scooter-Parkplätzen?

Alle Anbieter haben die mit der Stadt vereinbarten und von ihr definierten Abstellverbotszonen, also 30 Meter Abstand zu allen stehenden und fließenden Gewässern, umgesetzt.

Wie ist der Stand bei der sogenannten Infrastrukturabgabe pro Scooter? Wie hoch wird sie sein?

Wir haben eine zweckgebundene Infrastrukturabgabe angeregt, um die Entwicklung eines dichten Netzes von Parkplätzen zu beschleunigen. Uns wurde vom Verkehrsplanungsamt der Stadt Köln, dass jährlich zwischen 50 und 100 Autoparkplätze im öffentlichen Raum umgewidmet werden für andere Nutzungen, unter anderem für Fahrrad- und E-Scooter Parkplätze.

Bei diesem Tempo werden wir noch 10 bis30 Jahre brauchen, bis wir ein annähernd dichtes Netz haben wie Paris haben. Dort gibt es 2500 Parkplätze, 32 pro Quadratkilometer. Sie liegen im Durchschnitt 102 Meter voneinander entfernt. Wichtig dafür ist die Aufnahme dieses Ziels in die strategische Mobilitätsplanung der Stadt. Da wir momentan nicht wissen, wo genau der Schuh drückt und welche finanziellen, politischen und planerischen Hindernisse bestehen, können wir keine Aussage, über die sinnvolle Höhe einer solchen Infrastrukturabgabe machen, wollen uns aber konstruktiv einbringen.

Ist die Reduzierung der Roller in der Innenstadt von 7000 auf 4500 inzwischen erfolgt und stehen mindestens 25 Prozent des gesamten Flottenkontingents in den Außenbezirken zu Verfügung?

Seit dem 3. September haben alle Betreiber die Flotten innerhalb der Zone 2 auf maximal 655 durchschnittlich am Tag verfügbarer E-Scooter reduziert.

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Die Stadt erwartet eigentlich eine Reduzierung in der Innenstadt um 50 Prozent? Die Verleiher behaupten, das sei „betriebswirtschaftlich nicht darstellbar“. Warum ist das so?

Die meiste Nachfrage für Sharing Angebote, speziell für Mikromobilität entsteht in den Innenstadtbereichen. In den Außenbezirken sind die Distanzen für unsere Servicemitarbeiter länger und damit die Kosten pro Aufgabe höher. Gleichzeitig sind die durchschnittlichen Nutzungsraten und dementsprechend die Einnahmen geringer.

Geringere Einnahmen und höhere Kosten ergeben unterm Strich ein nicht profitables Geschäft. Um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken und das verkehrspolitische Ziel eines besseren öffentlichen Mobilitätsangebots in der Fläche zu erreichen, gibt es manche Sharing Systeme wie zum Beispiel das Leihrad-System der KVB, das öffentlich gefördert wird. Das ist bei unseren Verleihfirmen nicht der Fall.

E-Scooter Köln Dom

E-Scooter in der Kölner Innenstadt

Sind die angekündigten Fußpatrouillen inzwischen im Einsatz und falls ja, wie viele sind es und zu welchen Zeiten sind die unterwegs? Ja, seit dem 3. September sind täglich Fußpatrouillen mit zwei Personen. Montags bis Donnerstag zwischen 16 und 20 Uhr, freitags zwischen 18 und 22 Uhr, samstags von 14 bis 22 und sonntags von zehn bis 18 Uhr. Sie sind auf einem E-Scooter unterwegs und fahren innerhalb einer Vier-Stunden-Schicht die komplette Innenstadt ab.

Trotz aller Appelle sind nach wie vor viele Fahrer an- und betrunken mit den Scootern unterwegs. Es kommt nach wie vor zu schweren Unfällen. Ist das ein Spezifikum für Köln oder gilt das auch für die anderen Metropolen in Deutschland? Und was kann man dagegen tun?

Als Verband unterstützen wir selbstverständlich alle geltenden Grenzwerte und Richtlinien, die zur Sicherheit der beitragen. Die Anbieter ergriffen schon früh entsprechende Maßnahmen, um die Nutzer zu sensibilisieren und Fahrten unter Alkoholeinfluss zu vermeiden.

Laut der Unfallstatistik 2020 sind E-Scooter an 0,8 Prozent der Verkehrsunfälle in Deutschland beteiligt. Angesichts von 60,1 Mio. gefahrenen Kilometern bei unseren E-Scooter-Anbietern sind 2155 Unfälle mit Personenschaden ein sehr geringer Wert. Ein Unfall kommt auf 27933 zurückgelegte Fahrkilometer. Grundsätzlich sehen wir E-Scooter als sicheres Verkehrsmittel an. Wir haben in unserem Zehn -Punkte-Plan der Stadt empfohlen, eine groß angelegte Verkehrssicherheitskampagne gemeinsam mit Akteuren wie der Polizei, der Stadt oder auch der Verkehrswacht zu starten. Diese Maßnahme als Scooter-Anbieter allein durchzuführen, wäre sehr wahrscheinlich nicht effektiv.

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