Regisseur Jay Scheib im Interview„Jim hätte mich für diese drei Minuten umgebracht“

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Szene aus dem Musical Bat out of Hell, ein Paar auf einem Motorrad, die Straße ist neblig.

Musical „Bat out of Hell“ des Regisseurs Jay Scheib

Ab dem 20. Dezember läuft das Meat-Loaf-Musical „Bat out of Hell“ in Düsseldorf an. Verantwortlich dafür ist der Regisseur Jay Scheib, der 2023 bei den Bayreuther Festspielen den Parsifal inszenieren wird. Ein Interview.

Jay Scheib, „Bat out of Hell“ ist Meat Loafs bekanntestes Album, aber der Komponist Jim Steinman hatte es von Anfang an als Musical geplant. Sie sind der Regisseur, der „Bat out of Hell“ endlich auf die Bühne gebracht hat. Wie kamen Sie dazu?

Jay Scheib: Jim Steinman hatte fast 40 Jahre lang an dem Musical gearbeitet. Als er mit dem Projekt das erste Mal zu mir kam, war er noch nicht ganz bereit, es wieder anzugehen. Zwei Jahre später inszenierte ich gerade eine Oper in Darmstadt, rief Jims Produzenten an und fragte, ob ich das Musical am dortigen Staatstheater vorschlagen könnte. Der fragt, ob ich gleich nächste Woche vorbeikommen könnte. Also flog ich zurück nach New York, traf mich mit dem Produzenten und habe dann neuen Stunden lang mit Jim gesprochen, die ganze Nacht lang, bis wir beschlossen, das Musical zu machen.

Warum hat es denn so lange gedauert?

Über die Jahre hatten sich mehrere Teams daran versucht. Es scheiterte immer wieder künstlerische Differenzen. Jim hatte ein Problem damit, Kompromisse einzugehen. Ich habe einfach so lange durchgehalten, bis wir Lösungen gefunden haben.

Indem Sie einfach zu allem Ja sagten, was er wollte?

Nein, Jim schrie mich oft stundenlang an. Aber ich ließ mich nicht beirren, ich war genauso stur. Am Ende haben wir einen Weg gefunden, der alle zufrieden stellt. Zusammen mit Mike Reed, dem Music Supervisor der Produktion, habe ich einige lange Tage in Jims Haus in Connecticut am Klavier jeden einzelnen Song durchgesprochen.

Das Musical zollt Meat Loaf und Jim Steinman Tribut

Gab es auch Feedback von Meat Loaf?

Meat Loaf hat nicht direkt an der Entstehung mitgewirkt, er wurde später in den Prozess einbezogen und hat sich das Stück mehrmals angesehen. Aber zur gleichen Zeit hat er mit Jim an einem neuen Album gearbeitet. Ich habe also eine Menge darüber gehört, während das passierte.

Nun sind leider sowohl Meat Loaf als auch Steinman vor kurzem gestorben. Die Show ist jetzt eine Art Tribut.

Ja, sie ist definitiv in Jims und Meat Loafs Gedenken, auch wenn sich ein paar Dinge ergeben, denen Jim nicht zugestimmt hätte. Einige der Songs sind kürzer als vorher. „Anything For Love“ war 14 Minuten lang. Jetzt sind es immerhin noch neun oder zehn Minuten, aber Jim hätte mich für diese drei Minuten umgebracht.

Der US-amerikanische Regisseur Jay Scheib steht vor dem Festspielhaus. Er hat ein schwarzes Hemd an.

Der US-amerikanische Regisseur Jay Scheib steht vor dem Festspielhaus.

Unter Ihren Arbeiten gibt es einige, die direkt zu „Bat Out of Hell“ führen. Etwa ihre Theater-Adaption von Samuel R. Delanys Science-Fiction-Klassiker „Dhalgren“. Auch der spielt in einer dystopischen Stadtlandschaft unter Jugendgangs ...

Ja, an der habe ich viele Jahre lang mit Samuel Delaney gearbeitet. Das erste Mal habe ich „Dhalgren“ übrigens in deutscher Sprache aufgeführt, in Salzburg.

Zwischen Wagner und „Bat out of Hell“

Und dann bringen Sie zum wagnerianischen Rock von Steinman auch noch Ihre Wagner-Expertise mit: 2023 werden Sie in Bayreuth den „Parsifal“ inszenieren.

Ja, dabei werden wir mit Augmented Reality arbeiten …

… also das Bühnengeschehen mit computergenerierten Inhalten kombinieren.

Tatsächlich hatte sich Jim Steinman gewünscht, dass ein Teil von „Bat Out of Hell“ in Virtual Reality stattfindet. Damals war das technisch noch nicht möglich, jetzt könnte man es umsetzen.

Wie Sie wissen, ist es in Deutschland nicht üblich, sowohl im Musical als auch in der ernsten Oper zu arbeiten.

Nun, in Amerika ist es auch nicht üblicher. Die Leute aus der Welt des Musiktheaters haben im Allgemeinen keine Ahnung, was in der Welt der Staatstheater passiert und umgekehrt. Aber es gibt auch eine sehr große experimentelle, unabhängige Theaterwelt in den USA und aus der stamme ich. Aber es bleibt ungewöhnlich, und ich fühle mich ziemlich gesegnet, weil ich in allen Bereichen arbeiten kann. Das habe ich vor allem dem Wuppertaler Opernintendanten Berthold Schneider zu verdanken. Der hatte in den späten 90ern eines meiner Stücke in New York gesehen und mich dazu eingeladen, eine Oper in Deutschland zu inszenieren.

Regisseur Jay Scheib hat eine technische Vision

Sie forschen auch als Professor am Massachusetts Institute of Technology. Glauben Sie, dass Augmented und Virtual Reality das Theater grundlegend verändern werden?

Ich glaube, dass sie definitiv die Art und Weise verändern werden, wie wir Live-Events erleben. Virtual Reality wird das Theater verändern. Sie wird Rockkonzerte verändern. Sie wird Fußballspiele verändern.

In „Bat Out of Hell“ verwenden Sie noch hauptsächlich Live-Video. Warum ist Ihnen die Einbindung neuer Technik auf der Bühne wichtig?

Im Stück bezieht sich Jim von einem Moment zum anderen auf sehr unterschiedliche Realitäten. Durch den Einsatz von Video und vor allem der Live-Kamera konnten wir auf der Bühne sehr schnell Veränderungen vornehmen. Wir können uns so schnell und effektiv bewegen wie im Film. Viele von Jims Songs sind zu Beginn der Musikvideo-Ära veröffentlicht worden. Die Kamera war von Anfang an ein wichtiger Bestandteil seiner Musik gewesen.

In Steinmans Vision war von Anfang an etwas von einem Gesamtkunstwerk zu spüren, es ist nicht nur das Pathos, das an Wagner erinnert ...

Ja, und bei einer großen Nummer wie „Paradise by the Dashboard Lights“ stellen wir tatsächlich Aspekte des Musikvideos live nach. Das ist etwas, was man wirklich von Anfang an mit der Kamera proben muss. In der einen Minute fühlt man sich wie auf einem Filmset und in der nächsten auf der Bühne eines großen Tanzmusicals.

Ist „Bat Out of Hell“ schwierig zu besetzen? Sie wollten wohl keinen Meat-Loaf-Imitator.

Es wäre auch sehr schwierig gewesen, einen zweiten Meat Loaf zu finden. Der sang damals wirklich über drei Oktaven, wie ein echter Heldentenor – und sogar noch ein bisschen höher. Jim sagte, für „Bat Out of Hell“ muss man in der Lage sein, richtig rock’n’rollig zu klingen und trotzdem so hoch zu singen wie ein geiler Engel. Stimmlich sind solche Leute schwer zu finden.

Treten jetzt in Düsseldorf noch Darsteller auf, die von Anfang an dabei waren?

Es gibt noch zwei Leute in der Besetzung, die schon bei der Premiere dabei waren. Die hatten sich während der Produktion verliebt und später geheiratet. Jetzt haben sie ein Baby. Und einen Hund namens Steinman.

Zu Person und Veranstaltung

Jay Scheib, 1969 in Iowa geboren, inszeniert auf der ganzen Welt an Theater-, Oper- und Musicalbühnen. Er ist Leiter des Programms für Theaterkunst am Massachusetts Institute of Technology. Seine Inszenierung von „Bat out of Hell“ ist vom 20. Dezember bis zum 4. Januar im Düsseldorfer Capitol-Theater zu sehen. Tickets ab 26 Euro unter www.capitol-theater.de

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