Malca Goldstein-Wolf„Gegen die Klischees kämpfen“

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Malca Goldstein-Wolf beim Redaktionsbesuch

Malca Goldstein-Wolf beim Redaktionsbesuch

Köln – Frau Goldstein-Wolf, Sie planen eine Demonstration während der Ruhrtriennale. Mit der Kundgebung wollen Sie erreichen, dass Intendantin Stefanie Carp wegen des Eklats um die anti-israelische Boykott-Bewegung BDS entlassen wird.

Es reicht in unserer Zeit nicht, Judenhass nur mit Worten zu bekämpfen. Wir müssen etwas tun. Kurz vor meinem 50. Geburtstag organisiere ich deshalb zum ersten Mal in meinem Leben eine Demonstration.

Finden Sie richtig, dass Ministerpräsident Laschet seine Teilnahme an der Ruhrtriennale abgesagt hat?

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Ich finde das richtig, aber irgendwie auch schwach. Das Festival wird mit zwölf Millionen Euro öffentlicher Gelder subventioniert. Es wäre an der Zeit gewesen, klare Kante zu zeigen und sich von Intendantin Stefanie Carp zu trennen. Sie möchte sich gerne hinter einer künstlerischen Ahnungslosigkeit verstecken. Anderseits spricht sie von Israel als Besatzungsstaat und macht durch ihre Wortwahl deutlich, dass sie Israel eben nicht wohl gesonnen ist und durchaus weiß, was sie tut. Sie hat, sozusagen als Sahnehäubchen im negativen Sinn, jetzt auch noch zwei BDS-Befürworter zu der Diskussion eingeladen, den Choreographen Alain Platel und den Komponisten Elliot Sharp.

Sie selber sind nicht dabei?

Nein. Die Intendantin bezeichnet mich als Social-Media-Aktivistin, die nur schwafelt. Die Besorgnis, wie sehr jemand unter Judenhass leiden kann, lässt sie an sich abprallen.

Das Krisenmanagement der Intendantin scheint nicht zu funktionieren, es sieht nach einer Eskalation aus.

Im Zusammenhang mit dem Festival in Bochum sind eine ganze Reihe von Bands vom BDS unter Druck gesetzt worden, dort nicht aufzutreten, weil die israelkritische Band Young Fathers ausgeladen worden ist. So wie Carp das Podium besetzt, sieht es nicht danach aus, als wolle sie das Thema unvoreingenommen aufarbeiten.

Einer der bekanntesten Unterstützer der Boykott-Kampagne ist Roger Waters, einst der Kopf von Pink Floyd...

Ich habe die Band früher gemocht. Aber gegen das, was Waters heute tut, muss man sich wehren. Er ist zur Galionsfigur des BDS geworden. Er steht für eine Bewegung, die dem Staat Israel das Existenzrecht abspricht und im Grunde propagiert: „Kauf nicht beim Juden.“ Waters lässt während seiner Konzerte Ballons in Schweineform mit aufgedruckten Davidstern abschießen. Dagegen habe ich mich gewehrt.

Wie meinen Sie das?

Auf der Fahrt vom Supermarkt habe ich im Radio Werbung für eine Waters-Tournee gehört. Ich habe gedacht, so ein Mann darf doch nicht mit öffentlichen Geldern unterstützt werden. Zuhause habe ich dem WDR-Intendanten Tom Buhrow einen Brief geschrieben, nie im Leben damit rechnend, dass er so reagieren würde. Nach zehn Tagen kam die Antwort. Buhrow hat mir jegliches Geschwafel erspart und sinngemäß mitgeteilt: Mein Brief sei ihm nahe gegangen, die Zusammenarbeit mit Roger Waters sei beendet. Andere Intendanten haben es ihm dann gleichgetan. Das hat mich beflügelt, die Erkenntnis, dass man als Einzelner durchaus etwas erreichen kann.

Sie haben im vorigen Jahr eine Äußerung des Ex-Außenministers Sigmar Gabriel kritisiert...

Gabriel hat Israel wiederholt als Apartheidsregime diffamiert, ich habe das in einem Brief an ihn erwähnt, der im Zusammenhang mit dem BDS stand. Außerdem habe ich eine Petition gestartet und mich auch an viele andere SPD-Politiker gewandt. Nicht ein einziger hat die Apartheidslüge kritisiert. Mir ist bewusstgeworden, wie wichtig es ist, die richtigen Menschen zu finden.

Waters hat jedenfalls öffentlich auf Ihre Interventionen reagiert.

Er fühlte sich angegriffen, weil man ihn angeblich boykottieren wolle; ein Mann, der bei einer weltweiten Boykott-Kampagne mitmacht. Auf seiner Deutschland-Tournee hat Roger Waters während jeden Konzerts mehrfach meinen Namen genannt, um die Leute auf mich zu hetzen. Malca Goldstein-Wolf, she wants to ruin my career.

Er hat Ihnen unterstellt, Sie wollten seine Karriere zerstören?

So einen Hass kann man sich gar nicht vorstellen. Ich bekam Mails aus der ganzen Welt.

Wie beurteilen Sie das Verhalten von Marek Lieberberg, der seit Jahren der Konzertveranstalter von Roger Waters ist?

Ganz schwach. Er weiß, welche Gesinnung Roger Waters hat, aber offensichtlich ist ihm das Geld wichtiger.

Wie grenzen Sie das ab? Wo endet zulässige Kritik an der israelischen Regierung, wo beginnt Antisemitismus?

Ich mache das unter anderem am Wortlaut fest. Jemand, der beispielsweise von Israel als Apartheidsstaat spricht, der kritisiert nicht, sondern der diffamiert. In Israel leben 20 Prozent Araber, die die gleichen Rechte haben. Es gibt diese politische Doppelmoral im Zusammenhang mit Israel. Was an Israel kritisiert wird, wird an anderen Staaten noch lange nicht kritisiert. Israel ist so klein wie Hessen, umgeben von Feinden, die das Land auslöschen möchten. Eigentlich ist es für mich ein Wunder, dass es Israel überhaupt noch gibt.

Sie werden in Internetforen als jüdische Aktivistin bezeichnet.

Ich muss gestehen, mit diesem Ausdruck habe ich mich noch so gar nicht angefreundet. Eine Aktivistin ist ja mehr so eine Rücksackträgerin, so eine knallharte Frau. So sehe ich mich eigentlich nicht. Aber irgendwie bin ich ja schon aktiv. Mit dem Namen Goldstein bleibt einem nicht viel anderes übrig, als aktiv zu sein.

Wie ist das zu verstehen?

Entweder Sie verharren in der Opferrollen und lassen sich sagen, dass Sie ihr Leben lang für die Bankenkrise zuständig sind und auch für den Nahost-Konflikt. Oder Sie wehren sich: Nein, bin ich nicht. Ich möchte gegen diese Klischees ankämpfen.

Inwiefern bekommen Sie Klischees zu spüren?

Ich habe mich vor zehn Jahren bei Facebook angemeldet, eigentlich um meinen Sohn ein bisschen zu kontrollieren. Naiverweise habe ich mit meinem Klarnamen angefangen, den „Tatort“ zu kommentieren. Mit dem Namen Goldstein ist das gar nicht so einfach. Sie werden angegriffen, obwohl es um wirklich banale Dinge geht. Tatsächlich erwiderte jemand eine „Tatort“-Kritik von mir mit der Bemerkung: Juden wieder. All die Feindseligkeit, die wird mir durch das Internet noch bewusster, als wenn ich Menschen auf der Straße treffe.

Sind solche Erlebnisse häufiger geworden, haben die Attacken, nicht nur im Internet, zugenommen?

Ich finde, es nimmt zu. Auf jeden Fall hat es aggressivere Formen angenommen. In den zurückliegenden Jahren ist ja ein noch stärkerer muslimischer Antisemitismus hinzugekommen; den halte ich für aggressiver als den, den wir von der rechten Szene kennen. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich mir keine Gedanken gemacht, hier in Deutschland mit einer Kippa über die Straße zu laufen. Das ist heute anders.

Kundgebung und Petition

Die Kundgebung, auf der gegen die Einladung von BDS-Befürwortern zur Ruhrtriennale protestiert werden soll, findet am Samstag, 18. August, um 14 Uhr an der Turbinenhalle vor der Jahrhunderthalle in Bochum statt.

Die Kölnerin Malca Goldstein-Wolf wurde unter anderem durch eine Petition an den WDR-Intendanten Tom Buhrow bekannt, in der sie dem WDR vorwarf, mit der Präsentation des Roger-Waters-Konzerts vom 11. Juni 2018 in Köln einen Judenhasser mit dem Geld von Gebührenzahlern zu unterstützen. Waters ist einer der Protagonisten der Boykott-Bewegung BDS. Daraufhin erklärte der Sender: „Der WDR hat die Präsentation des Kölner Konzerts von Roger Waters beendet. Zu dieser Zusammenarbeit hatten den WDR in den vergangenen Tagen kritische Stimmen, vor allem jüdischer Mitbürger, erreicht. Der Musiker trat in der Vergangenheit mit anti-israelischen Aktionen in die Öffentlichkeit. WDR-Intendant Tom Buhrow sieht in der Absage ein Signal des Verstehens an die jüdischen Gemeinden.“ (ksta)

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