Kommentar zur US-WahlWie Trump sein wahres Gesicht gezeigt hat

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Trump verkündet Sieg

Donald Trump verkündet seinen vermeintlichen Wahlsieg.

  • Die US-Präsidentschaftswahl ist noch nicht entschieden.
  • Bislang hat sie vor allem gezeigt, wie tief gespalten die amerikanischen Wähler sind.
  • Die unentschiedene Situation verdeutlicht außerdem, wes Geistes Kind US-Präsident Donald Trump ist. Ein Kommentar.

Die einzige korrekte Prognose im Zusammenhang mit der US-Wahl war die Vorhersage, dass das Land noch tiefer gespalten daraus hervorgehen wird. Die große Abrechnung mit Trump ist ausgeblieben. Im Gegenteil: Wie schon vor vier Jahren hat ihn etwa die Hälfte der Amerikaner gewählt – und dies, obwohl Trump immer wieder gelogen, gegen demokratische Regeln verstoßen, mit Autokraten und Diktatoren paktiert und in der Corona-Krise den Schutz von Menschenleben versäumt hat.

Trump war kein Betriebsunfall

Diese Schlussfolgerung kann man bereits aus dem Wahlergebnis ziehen: Trump war kein Betriebsunfall. Etwa die Hälfte seiner Landsleute will einen rücksichtslosen Geschäftsmann als Präsidenten, Trotz all seiner Defizite und seiner Geringschätzung der Demokratie.

Unter dem Druck des knappen Rennens hat Trump noch einmal gezeigt, wes Geistes Kind er ist. Er ist kein Demokrat, und selbst als Autokrat ist er lausig. Er ist ein Trickser.

So wie er beim Golfspielen einen zusätzlichen Ball aus der Tasche rollen lässt, droht er jetzt damit, Stimmen zu unterschlagen, die auf das Konto seines Herausforderers einzahlen. Trumps Bereitschaft, das Wahlrecht auszuhebeln, wäre lächerlich, ginge es dabei nicht um 200 Millionen Menschen und das Selbstverständnis einer der ältesten Demokratien der Welt.

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Man möchte den Teufel nicht an die Wand malen. Aber Trump hat seine Anhänger bereits hinreichend aufgehetzt, dass sie eine Niederlage nicht einfach hinnehmen würden. Dass der Absatz von Waffen in den Trump-Hochburgen in die Höhe geschnellt ist, kann in Kombination mit Trumps orakelndem „Haltet euch bereit!“ nur als Alarmsignal gewertet werden.

Amerika ist so sehr zu wünschen, dass die aufgeheizte Stimmung nicht zu einem Bürgerkrieg eskaliert. Aber auch dem Rest der Welt ist es zu wünschen, dass sich die Lage in den USA stabilisiert. Die Demokratien dieser Welt brauchen selbst ein schwächer gewordenes Amerika an ihrer Seite.

Warten auf ein hoffnungsvolles Signal

Es wäre ein hoffnungsvolles Signal, wenn man am Ende der Ära Trump zumindest sagen könnte: Der Rechtspopulismus wurde abgewählt, weil er sich als unfähig erwiesen hat, mit der Corona-Pandemie die erste globale Krise des 21. Jahrhunderts zu managen. Es wäre auch zu wünschen, dass einst in den Geschichtsbüchern steht: „Die amerikanische Demokratie war stark genug, den Angriffen Trumps zu trotzen, und sein Nachfolger war klug genug, dessen Anhänger einzubinden und abzuholen“.

Unabhängig davon, ob sich Amerika unter dem künftigen Präsidenten stabilisieren kann, wird sich Europa und wird sich insbesondere Deutschland darauf einstellen müssen, dass auch bei einer Wiederbelebung des transatlantischen Verhältnisses die Beziehung nicht mehr ins alte Fahrwasser zurückkehrt.

Europa muss sich so oder so mehr um seine Angelegenheiten kümmern. Ein stabiles Amerika ist ein zentraler Partner, aber längst nicht mehr die allsorgende Schutzmacht.

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