Trumps SiegeserklärungViele deutsche Politiker empört – AfD feiert US-Präsidenten

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Reichstagsgebäude

Symbolbild

Berlin – Zahlreiche Politiker in Deutschland haben sich empört über den Auftritt von Donald Trump in der US-Wahlnacht geäußert, bei dem der Präsident sich vorzeitig zum Sieger erklärt und angekündigt hatte, gegen die weitere Stimmauszählung juristisch vorzugehen. „Trumps Ankündigung ist ein Anschlag auf die amerikanische Demokratie“, sagte der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das ist ein unerhörter Vorgang, den es in der Geschichte der Vereinigten Staaten noch nie gegeben hat“, so der Parlamentarier weiter.

Es sei völlig unverständlich, dass Trump die Auszählung der Briefwahlstimmen vom Obersten Gerichtshof stoppen lassen wolle, so Bütikofer. „Die Stimmen hunderttausender von US-Soldaten werden routinemäßig erst etwas später ausgezählt.“ Bütikofer warnte: „Es wird jetzt eine Schlammschlacht um das Überleben der amerikanischen Demokratie geben.“

Ähnlich äußerte sich der Fraktionschef der europäischen Linken, Martin Schirdewan, der Trumps Ankündigung „völlig unverantwortlich und gefährlich“ nannte. „Die Wahl jetzt in eine politische Schlammschlacht und juristische Hängepartei zu verwandeln, würde das Land weiter entzweien und destabilisieren“, sagte Schirdewan dem RND. „Es stelle sich heraus, dass es bei der US-Wahl auch um die demokratische Zukunft der Vereinigten Staaten geht.“

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Trittin: „Beispielloser Vorgang“

Der grüne Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin sagte dem RND, der Auftritt Trumps erfülle ihn mit großer Sorge. „Zumindest bei einem Teil der Trump-Anhänger fallen seine Sätze auf fruchtbaren Boden, und diese Leute sind bewaffnet“, warnte Trittin. „Das sind verkappte Aufrufe, die demokratischen Institutionen der USA in Frage zu stellen“, so der Außenpolitiker weiter. „Dass das aus dem Weißen Haus heraus geschieht, ist ein beispielloser Vorgang.“

Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zeigte sich beunruhigt. „Die Schlacht um die Legitimität des Ergebnisses“ habe jetzt begonnen, sagte die CDU-Chefin im ZDF-„Morgenmagazin“. „Das ist eine sehr explosive Situation.” Expertinnen und Experten warnten zu Recht vor einer Verfassungskrise in den USA. „Und das ist etwas, das uns insgesamt sicherlich sehr beunruhigen muss.”

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SPD-Chefin Saskia Esken warf Trump antidemokratisches Verhalten vor. „Ein Kandidat, auch wenn er der amtierende Präsident ist, der dazu aufruft, Briefwahlstimmen nicht weiter auszuzählen, handelt antidemokratisch“, sagte Esken der „Rheinischen Post“. Sie fügte hinzu: „Mehr denn je gilt, dass wir unsere demokratischen Errungenschaften gegen populistische und nationalistische Hetze verteidigen müssen.”

Lindner: Handlungsfähigkeit der USA steht auf dem Spiel

FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich ebenfalls entsetzt. „Es ist eine ganz kritische, ich möchte sagen eine bestürzende Situation”, sagte Lindner am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. „All das, was man in den letzten Tagen gerüchteweise gehört hat, hat sich nun tragischerweise bestätigt.” In der amerikanischen Demokratie kündige sich damit eine „dramatische Konfliktsituation” an.

Das könne unabsehbare Folgen für die USA, aber auch für die restliche Welt haben. „Es entsteht natürlich eine Situation, in der gegebenenfalls die Vereinigten Staaten auf der internationalen Ebene überhaupt nicht handlungsfähig sind. Die beschäftigen sich dann nur mit sich selbst.”

Auch Linken-Chef Bernd Riexinger übte scharfe Kritik. „Trump hat seine gesamte Amtszeit über seine Verachtung für die Demokratie zum Ausdruck gebracht. Seine Behauptung, dass die Demokraten die Wahl stehlen wollen, und sein vorzeitig erklärter Sieg sind ein erneuter Angriff auf das demokratische System“, sagte er.

Schon vor Trumps Statement blickten viele mit Sorge auf die Zwischenergebnisse der US-Wahl. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich angesichts des engen Rennens besorgt, dass sich die Diskussion um den Wahlausgang lange hinziehen könnte. „Es wird möglicherweise auch so geschehen, wie wir das schon mal erlebt haben: dass man eben noch sehr sehr lange darüber diskutiert, falls das Wahlergebnis knapp ist”, sagte Altmaier am Mittwoch im ZDF. Damit spielte er auf die Wahl 2000 an, als George W. Bush erst lange nach der Wahl als neuer US-Präsident feststand.

Mit Blick auf die kommenden Wochen brauche es bald „Klarheit, wer die größte militärische und auch wirtschaftliche Macht unserer Zeit verantwortlich führt”, sagte Altmaier. Dass das Rennen zwischen Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden sehr knapp verlaufen könnte, habe er erwartet. „Und das bestätigt sich. Es zeigt sich, dass die amerikanische Gesellschaft doch sehr tief gespalten ist.“

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sprach von einem „mulmigen Gefühl“. und mahnte mit Blick auf den Ausgang der US-Wahl zur Geduld. „Natürlich hat man in den nächsten Stunden weiter ein mulmiges Gefühl”, sagte Baerbock am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Demokratie brauche jedoch in diesen schwierigen und unsicheren Stunden Geduld. Es komme nun darauf an, dass die US-amerikanischen Institutionen ihre Arbeit machen und sicherstellen, „dass auch die letzte Briefwahlstimme ausgezählt wird“.

Wichtig sei, dass Europa künftig mit einer gemeinsamen Stimme spreche, betonte Baerbock. In Zukunft dürfe es keine deutsch-transatlantischen oder französisch-transatlantische Beziehungen mehr geben, „sondern es müssen europäisch-transatlantische Beziehungen sein.”

Der Vorsitzende der Atlantik-Brücke, Sigmar Gabriel, warnte vor einem außenpolitischen Vakuum nach einem unklaren Wahlausgang in den USA. Sollte die USA auf Monate mit sich selbst beschäftigt und ohne klare Führung sein, wäre das ein „Riesenproblem”, sagte der frühere SPD-Chef im ZDF-„Morgenmagazin“.

„Das wird die freuen, die das Vakuum füllen wollen. Das sind China, Russland, die Türkei.” Europa sei leider zu schwach, um das zu tun, sagte Gabriel. Für die Welt sei es sehr schwierig, wenn eine so große Nation wie die USA praktisch ausfalle. Er verwies auf Herausforderungen wie die Corona-Pandemie oder die Verhinderung der Verbreitung von Nuklearwaffen.

Nach Ansicht von SPD-Politiker Niels Annen haben Wahlforscher und Beobachter die Mobilisierungsfähigkeit von US-Präsident Donald Trump unterschätzt. Letztlich sei man nach der Wahl 2016 aber auch auf Überraschungen eingestellt gewesen, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt dem Deutschlandfunk.

Die USA bleibe unabhängig vom Wahlergebnis und trotz der „in der Tat angespannten und schwierigen letzten vier Jahre” der wichtigste Partner, Verbündete und Freund, betonte Annen. Die amerikanische Demokratie habe bereits viele Krisen überwunden, man könne aber davon ausgehen, dass diese Tradition bei dieser Wahl einem „wirklichen Stresstest” unterzogen werde. „Unsere Erwartung ist es – und die richtet sich an alle Seiten – dass die Legitimität des Wahlprozesses nicht infrage gestellt wird”, sagte Annen. Das sei für eine Demokratie von entscheidender Bedeutung.

AfD-Vize von Storch sieht Erfolg Trumps

AfD-Vize Beatrix von Storch interpretiert die bisher vorliegenden Ergebnisse als einen unerwarteten Erfolg Trumps. Dem RND sagt sie: „Der angeblich nicht mehr einzuholende Vorsprung von Biden ist geschmolzen wie das Eis in der Sonne. Trotz Corona, Black lives Matter, der Internetzensur und der Anti-Trump-Kampagne hat Trump die Wähler einem solchen Maß für sich mobilisiert, wie niemand vorausgesagt hat.“

Das mache auch der AfD Hoffnung, sagt sie: “Das ist ein Vorgeschmack auf das, was im Wahljahr 2021 auch in Deutschland passieren wird. Der Corona-Vorsprung der CDU/CSU wird sich als Luftbuchung zeigen, und die AfD wird zusätzlich Millionen Wähler mobilisieren.” (RND/dpa)

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