Zehntausende bei Mai-KundgebungenDemonstranten greifen Polizei in Stuttgart an – Höchste Alarmstufe in Berlin

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dpatopbilder - 01.05.2024, Baden-Württemberg, Stuttgart: Einheiten der Polizei stoßen während der Revolutionären 1. Mai Demo in der Stuttgarter Innenstadt mit Demonstrationsteilnehmern zusammen. Dabei wurde auch Pfefferspray angewendet. Foto: Christoph Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In Stuttgart wurde eine Demonstration der linken Szene in der Innenstadt beendet. Demonstranten griffen Einsatzkärfte an.

Gewaltszenen bei der „Revolutionären 1. Mai Demo“ in Stuttgart: Nach Angaben der Polizei wurden Einsatzkräfte attackiert. Ein Überblick über die Mai-Demos.

Mehr als Zehntausend Menschen haben sich am 1. Mai an linken und linksextremen Demonstrationen beteiligt, vor allem in Berlin und Hamburg. Die Polizei stand jeweils mit einem Großaufgebot parat, um mögliche Krawalle in der Nacht zu verhindern. Vor dem Hintergrund der Spannungen um den Gaza-Krieg gab es besonders Sorgen über mögliche propalästinensische Aktionen mit möglicherweise verbotenen Slogans gegen Israel. Daneben gab es die traditionellen Demonstrationen der Gewerkschaften am Tag der Arbeit für mehr soziale Gerechtigkeit, bei denen es kaum Vorfälle gab.

Demo in Berlin: Tausende Polizisten bei Revolutionärer 1. Mai-Demo in Berlin im Einsatz

In Berlin folgten zunächst mindestens 4000 Menschen dem satirischen Aufruf zur „Razzia im Villenviertel“ im Stadtteil Grunewald. Die linken Organisatoren prangerten den aus ihrer Sicht zu großen Reichtum einiger Mitbürger an.

dpatopbilder - 01.05.2024, Berlin: Teilnehmer der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" kommen am Südstern in Kreuzberg an. Laut Polizei zogen mehr als 11.000 Menschen vom Südstern in Kreuzberg nach Neukölln, von wo der Zug im Verlauf des Abends wieder zurück zu Ausgangspunkt führte. Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Laut Polizei zogen in Berlin mehr als 11.000 Menschen vom Südstern in Kreuzberg nach Neukölln, von wo der Zug im Verlauf des Abends wieder zurück zu Ausgangspunkt führte.

Am Abend beteiligten sich dann Tausende Menschen an der traditionellen „Revolutionären 1. Mai Demonstration“, bei der dieses Mal der Gaza-Krieg im Mittelpunkt stand. Größere Störungen und zuvor befürchtete Konfrontationen mit der Polizei blieben zunächst aus.

Laut Polizei zogen mehr als 11.000 Menschen vom Südstern in Kreuzberg nach Neukölln, von wo der Zug im Verlauf des Abends wieder zurück zu Ausgangspunkt führen sollte. Die Veranstalter – Linke und linksradikale Gruppen – sprachen auf der Onlineplattform X von 25.000 bis 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Begleitet wurde die Demonstration von einem Großaufgebot Tausender Polizisten. Laut Polizei kam sie nach leicht verspätetem Start gegen 18.30 Uhr ohne größere Störungen voran über Hasenheide und Hermannplatz zur Neuköllner Sonnenallee.

Auf das Geschehen in der Straße richtete sich das besondere Augenmerk der Polizei, nachdem es dort nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 Freudenkundgebungen gegeben hatte. Auch die meisten Protestaktionen palästinensischer Gruppen zum Krieg Israels im Gaza-Streifen gab es in den vergangenen Monaten dort.

Palästina-Fahnen und Sprechchöre

Bei der Demonstration waren viele Palästina-Fahnen und auch große Anti-Israel-Plakate zu sehen. Unter anderem war darauf zu lesen „Keine Waffen für Israel“ oder „Free Palestine“. Menschen skandierten „Free Palestine“ oder „Free Gaza“. Auf dem Dach eines Gebäudes auf dem Weg zum Hermannplatz zündeten Menschen Bengalo-Feuerwerk. Auch im Zug selbst brannten Bengalos.

Mehrere Blöcke mit einigen Menschen, die sich mit schwarzen oder roten Tüchern vermummt hatten, führten die Demo an. Teilnehmer riefen teils aggressive Anti-Polizei-Sprechchöre. Die Polizei hielt sich zurück. Polizeisprecherin Anja Dierschke sprach von einer „besonderen Emotionalisierung“ in Verbindung mit dem Nahost-Konflikt.

01.05.2024, Baden-Württemberg, Stuttgart: Einheiten der Polizei stoßen während der Revolutionären 1. Mai Demo in der Stuttgarter Innenstadt mit Demonstrationsteilnehmern zusammen. Dabei wurde auch Pfefferspray angewendet. Foto: Christoph Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Einheiten der Polizei stoßen während der Revolutionären 1. Mai Demo in der Stuttgarter Innenstadt mit Demonstrationsteilnehmern zusammen. Dabei wurde auch Pfefferspray angewendet.

Nach Hinweisen von Anwohnern entdeckte die Polizei vor Beginn des Aufzuges am Nachmittag auf Hausdächern und am Boden entlang der geplanten Demonstrationsroute Steindepots, wie sie auf der Plattform X mitteilte. Mit den dort sichergestellten Steinen und Dachziegeln wollten Unbekannte womöglich Polizisten bewerfen.

Angriffe auf Polizisten bei linker Demo in Stuttgart

In Stuttgart wurde eine Demonstration der linken Szene in der Innenstadt beendet, wie die Polizei auf X mitteilte. Es sei zu Angriffen auf Einsatzkräfte gekommen. Die Beamten hätten mit Pfefferspray und Schlagstöcken reagiert. Die Demonstration richtete sich nach Polizeiangaben „gegen Sozialabbau“, setzte sich „für eine solidarische Gesellschaft“ ein und sei von einer Einzelperson angemeldet worden. Es sei zu „massiven Straftaten und Auflagenverstößen“ gekommen.

Linksextreme Demos in Hamburg verlaufen friedlich

Mehr als 7000 Menschen – und damit deutlich mehr als im vergangenen Jahr – gingen am 1. Mai in Hamburg mit linken und linksextremen Gruppen auf die Straße. Die Polizei begleitete die Aufzüge mit einem Großaufgebot. Größere Zwischenfälle gab es den Angaben zufolge nicht. Alle Veranstaltungen seien weitestgehend friedlich verlaufen, hieß es.

Als letzte von insgesamt drei Demonstrationen aus dem linken und linksextremen Spektrum ging am Mittwochabend am S-Bahnhof Landwehr die revolutionäre 1. Mai-Demo des vom Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingestuften Roten Aufbaus zu Ende. In der Spitze nahmen daran nach Polizeiangaben 1800 Menschen teil. Vereinzelt sei Pyrotechnik gezündet worden, hieß es. Größere Zwischenfälle habe es aber nicht gegeben.

Die mit laut Polizei 4000 Teilnehmern größte Demonstration war zuvor vom Bahnhof Dammtor durch die Nobel-Stadtteile Pöseldorf und Harvestehude zum Eppendorfer Baum gezogen. Dazu aufgerufen hatte das Umverteilungsbündnis „Wer hat, der gibt“.

Als erster Demozug des linksextremen Spektrums war am frühen Nachmittag das anarchistische Bündnis „Schwarz-Roter 1. Mai“ im Schanzenviertel auf die Straße gegangen. Unter dem Motto „Solidarisch. Selbstbestimmt. Herrschaftsfrei“ zogen die Teilnehmer vom S-Bahnhof Sternschanze durch St. Pauli zum Altonaer Balkon.

Queer-feministische Demo gegen Kapital und Patriarchat

Die linksextremen Aufzüge hatten in der Walprugisnacht mit queer-feministischen Demonstrationen gegen Kapital und Patriarchat sowohl in Berlin als auch Hamburg begonnen. Unter dem Motto „Take back the Night“ beteiligten sich laut Polizei in Berlin-Friedrichshain bis zu 2800 vorwiegend weibliche Demonstrierende und in Hamburg-St. Pauli rund 900. In Berlin wurden acht Menschen vorläufig festgenommen und eine Polizeieinsatzkraft leichte verletzt. In Hamburg gab es keine größeren Zwischenfälle.

Feiern in Kreuzberg auch ohne Myfest

In Berlin-Kreuzberg war das lange übliche Straßenfest Myfest auch in diesem Jahr abgesagt worden. Dennoch feierten Zehntausende am Nachmittag auf den Straßen und Plätzen. Viele Kneipen, Bars und Späti verkauften Getränke und Essen, zum Teil wurde auch Musik gemacht. An vielen Stellen herrschte Partystimmung.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor dem 1. Mai gesagt, die Polizei müsse „sofort hart durchgreifen, wenn es rund um den 1. Mai zu Krawallen, Gewalttaten und Judenhass auf unseren Straßen kommt“. Auch „mögliche weitere Solidaritätsaktionen der linksextremistischen Szene wegen der Verhaftung der untergetauchten RAF-Terroristin“ seien völlig inakzeptabel.

Auch Rechtsextreme demonstrierten

Auch Rechtsextreme demonstrierten am 1. Mai an mehreren Orten. Im niedersächsischen Celle organisierte der bekannte Neonazi Christian Worch eine Demonstration, zu der auch die NPD Hamburg und andere Neonazi-Gruppen mobilisierten. Rund 20 Rechtsextremisten nahmen laut „Cellescher Zeitung“ an der Demo teil, die Polizei zeigte massive Präsenz, um Zusammenstöße zwischen Rechten und Gegendemonstranten zu verhindern.

Im sächsischen Aue demonstrierte die rechtsextreme Kleinpartei Freie Sachsen demonstrieren. Die Brandenburger AfD mobilisierte zu einer Kundgebung in Cottbus. Die sächsische AfD veranstaltete ein „Familienfest“ in Dresden, auf dem auch Parteichef Tino Chrupalla und der Europawahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah auftraten. (rnd, dpa)

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